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SPD-Ortsverein Sontheim

Stadtbahn-Nord / Redebeitrag Gemeinderat vom 23.09.2010

Stadtratsfraktion

Falls jemand hier oder draußen die Befürchtung hat, die SPD wolle mit ihrem Antrag das Projekt Stadtbahn Nord zu Grabe tragen – wer dies befürchtet, darf erleichtert aufatmen.......

Falls jemand hier oder draußen die Befürchtung hat, die SPD wolle mit ihrem Antrag das Projekt Stadtbahn Nord zu Grabe tragen – wer dies befürchtet, darf erleichtert aufatmen.

Und falls jemand die Hoffnung haben sollte, die SPD werde mit ihrem Antrag das Projekt Stadtbahn Nord zu Grabe tragen - wer dies hofft, der muss sich zurecht missmutig abwenden.

Um also von vornherein kein Missverständnis aufkommen zu lassen:
Die SPD bekennt sich ohne wenn und aber, mit Herz und Verstand zum Projekt Stadtbahn Nord.

Heute geht es nicht, wie die Verwaltung behauptet, um einen „Rückfall in Variantendiskussionen“, sondern allein darum, dass die Verwaltung in der jüngeren Vergangenheit sehr einseitig agiert und Entwicklungen ignoriert hat. Und nur deswegen muss heute erneut darum gerungen werden, ob die Stadtbahn auf dem Weg nach Norden künftig das kleine Stück zwischen der Theater-Haltestelle auf der Weinsberger Straße und dem Industrieplatz

- entweder über die Paulinenstraße, das Sülmer Tor und die Salzstraße
oder aber
- über die Mannheimer Straße, den Europaplatz und die Weipertstraße fährt.

Die entscheidende Frage ist nicht nur: Welche Trasse ist die bessere?

Wir weichen auch nicht den beiden anderen drängenden Fragen aus:

Warum kommt die SPD-Fraktion – im Unterschied zur FDP und FWV – erst so spät zur Erkenntnis, dass es eine bessere Lösung gibt als die bisherige.

Und: Ist es nicht zu spät für ein Umschwenken?

Klären wir zunächst die Variantenfrage.

Bereits im Leitbild ÖPNV aus dem Jahr 1993 ist die Nord-Trasse über das Sülmertor festgeschrieben und daran hat die Verwaltung immer konsequent festgehalten bis hin zur Standardisierten Bewertung von 2002.

Und selbst als die Stadt Neckarsulm danach eine Veränderung der Trasse wünschte und die Stadtbahn nicht mehr durch das gesamte Industriegebiet fahren, sondern bereits in der Hans-Rießer-Straße in Richtung bestehende DB-Gleise abbiegen sollte, um das Kaufland anzuschließen – auch da stand die Verwaltung unerschütterlich zur Sülmertortrasse, obwohl sie nur noch einen kurzen Schlenker zum Industrieplatz und bis zur Hans-Rießer-Straße machte.

KOSTEN

Diese nach den Neckarsulmer Wünschen gestaltete und für Heilbronn kostengünstigere Nordtrasse über das Sülmertor war für die Verwaltung so klarer Favorit, dass sie für die Gemeinderatssitzung im Mai 2005 ausschließlich dafür die Kosten errechnete:

36 Mio Euro oder nach Abzug der Fördergelder knapp 12 Mio Euro.

Ein starkes Jahr später und nach einer Vertiefung der Machbarkeitsstudie überraschte die Verwaltung den Gemeinderat im Oktober 2006 mit einer Kostenexplosion:

Die Gesamtkosten auf Heilbronner Gemarkung waren von 36 Mio Euro auf 57,75 Mio geklettert. (Nach Abzug der Förderung von knapp 12 auf 18,7 Mio). Nur diese Kostenexplosion war der Anlass, erstmals die Europaplatz-Trasse „vertieft zu untersuchen“, wie die Verwaltung damals erklärte.

Mit dem Ergebnis, dass die ungeliebte Europaplatz-Trasse sogar Gesamtkosten von 61,84 Mio Euro erzeuge. Warum sie um 4,1 Mio teurer sein sollte, war allerdings nicht für jedermann nachvollziehbar

Wiederum zwei Jahre später und nach Abschluss der Vorplanung wurde dem Gemeinderat im November 2008 vorgerechnet, dass
- die Kosten der Sülmertor-Trasse von 57,75 Mio Euro bis zum Juli 2008 auf 77,15 Mio Euro gestiegen seien.
Nur wegen der erneut gestiegenen Kosten wird gnädigerweise auch die Europaplatz-Trasse einbezogen und deren Kosten mit 81,6 Mio beziffert.

Die heute aktuell vorliegenden Zahlen belegen die nächste Kostensteigerung:
Sülmertor-Trasse kostet nun 84,16 Mio Euro (SWH-Eigenanteil 22,51 mio).
Die Europaplatz-Trasse angeblich 88,9 Mio (SWH-Eigenanteil 24 Mio).

Angeblich: Denn ungeschminkt wird zugegeben, dass man die Kosten der Europlatz-Trasse gar nicht ermittelt hat, sondern einfach die Steigerungsraten der Sülmertor-Trasse auf die Alternativ schlicht hochgerechnet hat.

Ohne nähere Untersuchung wurde die Europaplatz-Trasse seit 2006 stets in einem Abstand von über 4 Mio von der Sülmertor-Trasse ferngehalten und als ohnehin teuerste Variante nie näher untersucht.

Wie munter man sparen kann, hat die Verwaltung in diesem Jahr bewiesen: Noch im April 2010 kostete die Sülmertor-Variante satte 94,82 Mio!! Bis zum August 2010 wurden die Kosten auf die 84,16 Mio schlank gerechnet.

Man kann nur zum Fazit kommen: Die höheren Kosten für die Alternative Europaplatz wurden mehr geschätzt als gerechnet. Allein das Kolossalbauwerk am Sülmertor (derzeit allein mit 7,7 Mio beziffert) lässt Zweifel aufkommen, ob die Sülmertor-Trasse wirklich weit billiger ist.

VERKEHR

Aus – wie ich meine - gutem Grund wurde daher nie mit den Kosten allein argumentiert, auch wenn in der jüngsten Pressemitteilung wieder behauptet wurde, die Europaplatz-Variante sei knapp 5 Mio Euro teurer – wie gesagt eine schlichte Hochrechnung.

Als wesentlicher Nachteil wurde stets der Verkehr genannt.

Bei der Sülmertor-Variante hat man das Problem Paulinenstraße frühzeitig erkannt und mit dem Einbahnstraßen-System unter Einbeziehung der Schaeuffelenstraße gelöst.

Bei der Europaplatz-Variante dagegen wird bis heute auf der mangelnden Leistungsfähigkeit von Teilen der Mannheimer Straße und vor allem der Weipertstraße herumgehackt.

Dass ein sechsspuriger Ausbau der Mannheimer Straße „erforderlich“ ist, behauptet zwar die Verwaltung, ist aber noch längst nicht vom Gemeinderat behandelt oder gar abgesegnet.

Richtig ärgerlich aber ist, wie unverdrossen die Weipertstraße zwischen Fügerstraße und Industrieplatz als völlig untauglich geschildert wird.
Die Paulinenstraße war noch viel untauglicher. Wie dort mit der Schaeuffelenstraße lässt sich das Problem jedoch auch hier mit einem Einbahnstraßensystem durch die Gottlieb-Daimlerstraße lösen. Und das ist nicht nur eine Idee, sondern bereits mit 3,5 Mio Euro in den Kosten der Europaplatz-Variante enthalten! Wenn dann immer noch die Weipertstraße madig gemacht wird, ist das – gut schwäbisch – eine Granatensauerei..

Das zentrale Verkehrsproblem lag von Anfang an beim Europaplatz. Selbst wenn sich alle anderen Probleme hätten lösen lassen, wäre hier mit der Stadtbahn ein Nadelöhr entstanden, das katastrophale Folgen für den Individualverkehr nach sich gezogen hätte. Denn die Leistungsfähigkeit einer Straße ist nicht von der Strecke abhängig, sondern von der Leistungsfähigkeit der Knotenpunkte, wie auch die Verwaltung sagt.

Als vor einem Jahrzehnt auch und gerade in den Medien die Diskussion um die Europaplatz-Trasse entfacht wurde (auch aus Kostengründen, weil eine Unterführung der DB-Bahnstrecke dort weit günstiger erschien als beim Sülmertor), war es massiv die Bauverwaltung, die diese Diskussion mit dem Hinweis auf das Nadelöhr am Europaplatz erstickte.
Dies ist ihr so nachhaltig gelungen, dass nicht nur die SPD-Fraktion, sondern die Mehrheit im Gemeinderat sich voll auf die Sülmertor-Variante konzentrierte und keine weiteren Untersuchungen bei der Kostenermittlung für die Europaplatz-Trasse verlangte.

Erst mit den Buga-Plänen hat sich die Situation radikal verändert. Das Nadelöhr kann beseitigt werden, weil mit der Verlegung der Kalistraße eine Umgestaltung des Europaplatzes nicht nur möglich, sondern unumgänglich wird. Diese völlig neue Situation ist auch die Antwort auf die eingangs gestellte Frage, warum sich die SPD-Fraktion erst so spät für die neue Variante ausgesprochen hat.

Die Tage des Identität stiftenden Kreisels am Europaplatz sind gezählt.
Ersetzt wird er nicht durch einen mit Ampeln bestückten gigantischen Kreisel, der den Abbruch der Rollschuhbahn erfordert hätte, wie es die Verwaltung noch vor wenigen Monaten vorgeschlagen hatte.

Vielmehr wird künftig die Mannheimer Straße fast geradeaus in die neue, auf die andere Neckarseite verlegte Kalistraße geführt. Es bleibt ausreichend Platz für Abbiegespuren zur neuen Westrandstraße und in die Weipertstraße sowie für die Stadtbahn.
Fast kabarettreif wirkt der Hinweis der Verwaltung, dass dann aber die Ausfahrt in die Gaswerkstraße erschwert wird.

Die bessere Trasse

Ist das Hindernis mit dem Nadelöhr am Europaplatz ausgeräumt, stellt sich die Frage nach der besseren Trasse ganz neu.

Offenkundig aber nicht für die Verwaltung. Seit die Verlegung der Kalistraße auf die andere Neckarseite eine anerkannte Tatsache ist, hätte ein Umdenken einsetzen müssen. Heute will man dem Gemeinderat den Schwarzen Peter zuschieben, weil er die Notbremse zieht. So schnell wird die Verwaltung aber den Schwarzen Peter nicht los. Sie will nur davon ablenken, dass sie es war, die eine gewaltige Veränderung nicht zur Kenntnis genommen, auf jeden Fall nicht darauf reagiert hat.

Die Veränderung auf dem Fruchtschuppenareal und die völlig neue Verkehrssituation wird übersehen, dafür aber – wie von Anfang an – das hohe Lied von der Aufwertung der Nordstadt gesungen.

Da wird betont, dass die Führung der Stadtbahn durch die Paulinenstraße hier, wie in der Bahnhofstraße, „der Motor für die positive Entwicklung des Stadteingangs von Norden sein“ werde. Das Beispiel Bahnhofstraße taugt in meinen Augen nicht.

Nur zur Erinnerung: Ohne die Stadtbahn wäre die verlotterte Bahnhofstraße schon weit früher, wie es damals hieß, zu einem blühenden Boulevard ausgebaut worden. Man ließ sie weiter verwahrlosen, weil erkennbar war, dass die Stadtbahn kommt und dann ein erneuter Umbau notwendig würde.

Auch wir wünschen der Nordstadt eine weitere Aufwertung. Wie dies aber durch eine über die Paulinenstraße fahrende Stadtbahn, die nur ein einziges Mal vor dem Berufsschulzentrum hält, erreicht werden soll, ist zumindest zweifelhaft. Die neue Nachbarschaft mit den Bildungseinrichtungen dürfte für die Entwicklung Nordstadt weit vorteilhafter sein.

Man kann die Haltung der Verwaltung, die von Anfang an bis heute die Sülmertor-Variante verfolgt hat, konsequent und geradlinig nennen.
Aber auch stur und blind.

Denn im letzten Jahrzehnt hat jener – aus Sicht der Innenstadt – vordere Teil des Industriegebiets eine dramatische Veränderung erfahren. Zwischen Europaplatz und Industrieplatz ist vom Media Markt und Intersport über die Innovationsfabrik bis zum Weipertzentrum mit Obi, Rewe und anderen ein attraktiver Handelsplatz entstanden. Auf der anderen Straßenseite der Weipertstraße hat die ZEAG und HVG ihr neues Verwaltungsgebäude errichtet. An der Fügerstraße hat sich das Haus der Familie angesiedelt und die Brache am Kaiser’s Turm ist aufgeblüht mit Gastronomie und Disco.
Direkt am Europaplatz ist die Rollschuhbahn, daneben das Eisstadion, das Stadtbad und künftig ein Hotel. Und gegenüber wächst gerade der Bildungscampus aus dem Boden. Schließlich verlagert die Hochschule eine ganze Fakultät langfristig in die Nachbarschaft. In diese unvollständige Aufzählung gehört die Nähe zum Neckar und zum künftigen Neckarbogen.

In diesem einst öden Bereich ist ein äußerst lebendiges Quartier entstanden. Zugegeben: Auch ohne Stadtbahn. Aber soll man es dafür strafen? Oder muss man nicht vielmehr dieses lebendige und sich noch weiter ausdehnende Quartier erst recht an die Stadtbahn besser anbinden?

Die Entwicklung hin zum Neckar geht weiter und gerade dort könnte die Stadtbahn tatsächlich zu einem Motor für eine weitere Verbesserung werden.

Als wichtiges gegenargument wird immer genannt, dass auf dieser Strecke eine einzige Minute langsamer ist. Aber doch nur deswegen, weil diese Gegend bereits jetzt so belebt ist, dass zwei Haltepunkte notwendig erscheinen – und nicht nur 1 Haltepunkt wie auf der Sülmertor-Trasse.

Man könnte auch überlegen, ob wirklich zwei Haltepunkte zwischen der Theater-Haltestelle und dem Industrieplatz notwendig sind – oder ob nicht 1 Haltepunkt in der Mitte direkt am Europaplatz ausreicht.

Bisher bleibt es bei 2 Haltepunkten. Ob wegen dieser 1 Minute tatsächlich zwei Fahrzeuge mehr benötigt werden, das wollen wir noch präziser geklärt wissen.

Zeitverzögerung

Ebenso geklärt wissen wollen wir, wie realistisch die von der Verwaltung behauptete zeitliche Verzögerung von anderthalb Jahren ist.

Hier kommt es für die Verwaltung zum Schwur: Sind tatsächlich für die Europaplatz-Trasse so gründliche Vorarbeiten geleistet worden, dass man sie konkret mit der Sülmertor-Trasse vergleichen kann? Wenn dem so ist, will uns nicht einleuchten, warum dafür zusätzlich anderthalb Jahre benötigt werden.

Wenn es der Verwaltung so ernst ist mit der Nordtrasse wie dem Gemeinderat, dann wird sie sich jetzt mit Leidenschaft und Herzblut auf die notwendige neue Planung stürzen und dafür weniger als anderthalb Jahre brauchen.

Es muss ja nicht alles neu geplant werden. Von der Harmonie bis zur Theater-Haltestelle auf der Weinsberger Straße sowie vom Industrieplatz bis zur Gemarkungsgrenze ändert sich überhaupt nichts.

Förderfähigkeit

Auch hier im Gemeinderat gibt es Kollegen, die mit uns der Ansicht sind, dass die Europaplatz-Variante die bessere Trasse sei. Sie wollen sich aber deswegen nicht dazu bekennen, weil die Frage der Förderfähigkeit in der Tat nicht abschließend geklärt ist.

Der Nutzen-Kosten-Faktor der Sülmertor-Trasse war im April auf bedenkliche 1,03 geschrumpft. Nachdem die Kosten flott von 94 auf 84 Mio Euro gesenkt waren, kletterte der Faktor im August auf sichere 1,2.

Warum diese standardisierte Bewertung bei der Europaplatz-Variante schlechter ausfallen soll, will uns nicht einleuchten – zudem sei daran erinnert, dass der Zuschussgeber nicht automatisch auf der Variante mit dem besseren Faktor besteht. In jedem Fall scheint aus unserer Sicht ein Faktor über 1,0 durchaus erreichbar, zumal der Nutzen-Kosten-Faktor nicht allein für die Europaplatz-Variante errechnet wird, sondern für die gesamte Strecke in Heilbronn und im Landkreis.

Selbst wenn diese für eine Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) notwendige Hürde genommen ist, bleibt zugegebenermaßen ein Restrisiko. Laut Drucksache kann die Verwaltung „hierzu keine abschließende Auskunft geben, da sich das künftige Landesgesetz in der Nachfolge des Entflechtungsgesetzes derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindet“. Das hätten wir gerne ein bisschen konkreter gehört.

Klares Bekenntnis zur Stadtbahn Nord

Wir haben uns deshalb im Vorfeld sehr ausführlich und sehr ernsthaft mit der eingangs gestellten dritten Frage auseinandergesetzt, ob es nicht zu spät für ein Umschwenken sei, weil wir eines nicht wollen, wie ich ausdrücklich betonen möchte: Dass am Ende das gesamte Stadtbahn-Projekt Nord an der Finanzierung scheitert. Wir wollen die Stadtbahn nach Norden.

Auch wenn wir die Europaplatz-Trasse für die bessere Variante halten, heißt das nicht im Umkehrschluss, dass die Sülmertor-Trasse eine miserable und grundsätzlich abzulehnende Variante sei. Jeder der 41 Stimmberechtigten hier im Ratssaal muss mit seinem Gewissen ausmachen, ob er bereit ist, das aus heutiger Sicht unvermeidliche Restrisiko einzugehen.

Wie einst bei Kleist das Käthchen von Heilbronn steht jetzt die Verwaltung von Heilbronn vor der Feuerprobe. Zieht sie sich jetzt verschnupft zurück, weil ein Teil ihrer Arbeit umsonst war – oder stürzt sie sich jetzt erst recht mit Feuereifer auf die neue Aufgabe, erstellt die notwendigen Pläne und minimiert das Restrisiko auf ein erträgliches Maß. Dann, allerdings nur dann - nach bestandener Feuerprobe der Verwaltung - wird es eine große Mehrheit im Gemeinderat für die bessere Trasse Europaplatz geben.

 

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