Die Landespolitik gerät angesichts des kontroversen Geschehens in der Bundespolitik und in anderen Nationalstaaten leicht ins Hintertreffen, hat jedoch auch durchaus Einfluss auf die Lebenswelt der Bürger. Dies betonte Reinhold Gall, seit 2001 Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Neckarsulm, nach einer Legislaturperiode als Innenminister derzeit Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, beim Monatstreffen der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus Stadt- und Landkreis Heilbronn im Alten Böckinger Rathaus. In keiner anderen Partei wie in der Südwest-SPD würden die kommunal-politischen Auswirkungen politischen Handelns so mitgedacht, sagte Gall, der inzwischen auch zu den „Senioren“ zählt. Diese Ausrichtung habe auch im Koalitionsvertrag Eingang gefunden.
Bezahlbarer Wohnraum ist drängendes Anliegen - Reinhold Gall vor SPD-Senioren über Landes- und Kommunalpolitik
Aus dem Parteileben
Die Finanzierung der Kommunen sei ein wesentliches Anliegen der SPD, erklärte Gall. Gewerbesteuer wie auch die Grundsteuer seien wichtige Finanzsäulen der Kommunen. Die kommunale Unterstützung aus Landesmitteln über Fördertöpfe sei für ärmere Gemeinden oft nicht hilfreich, da sie meist nicht die Mittel für Eigenbeteiligung hätten. Da könne leicht das Prinzip gleichwertiger Lebensverhältnisse auf der Stecke bleiben. Für Gall, der sich in dieser Wahlperiode verstärkt für den ländlichen Raum einsetzt, ist es wichtig, dass auch außerhalb der Metropolregionen und Städte eine vernünftige Infrastruktur gewährleistet ist, damit das „flache Land nicht ausblutet“. Dazu gehört eine vernünftige Verkehrsanbindung sowie eine ortsnahe Versorgung mit den Gütern des täglichen Bedarfs, aber auch ein gute ärztliche Versorgung.
Gall verteidigte in diesem Zusammenhang die Aufgabe der Klinik Möckmühl, weil ihre Attraktivität für Patienten und Arztpersonal gelitten habe. Mit der Etablierung ambulanter Zentren könnte sich die ärztliche Versorgung im Kocher-Jagst-Gebiet deutlich verbessern. In diesem Zusammenhang merkte Gall kritisch an, dass der steigende Anteil weiblicher Studierenden in der Medizin keineswegs den Mangel an Hausärzten, insbesondere im ländlichen Bereich, beheben könnte, da die jüngeren Medizinerinnen familienbedingt eher in Kliniken oder Halbtagesstellen eintreten würden. Hier sollt man den Numerus-Clausus-Status, der nun einmal weiblichen Abiturienten zugute komme, lockern und die Einrichtung von Hausarztpraxen finanziell unterstützen. Gall: „Hier sollte die Politik eine Steuerungs-funktion wahrnehmen.“
Als ein drängendes Problem in unserem Land sieht Gall der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, „was sich der Normalbürger leisten können muss“. Die marktliberale Politik habe in dieser Hinsicht total versagt und zu einem spekulativen Immobilienboom geführt. Nach dem jahrelangen Verzicht auf sozialen Wohnungsbau sei es ein Unding, dass die grün-schwarze Landesregierung beim Verkauf landeseigener Flächen für Immobilien nicht auf eine Durchmischung bestehe, etwa 10 % Sozialwohnungen und 40 % bezahlbare Wohnungen. „Wir brauchen 50 000 neue Wohnungen pro Jahr“, so Gall, der unzureichende Investitionsmaßnahmen des Landes beklagte – „und das bei einem Finanzüberschuss von 2,8 Milliarden Euro“. Gall setzt sich ferner für einen Ausbau der Gemeinschaftsschulen ein und für die Möglichkeit einer Ganztagesbetreuung in Kindergärten, wobei das erste Kindergartenjahr durchgängig beitragsfrei sein sollte.
Gall ging aber auch auf „Randthemen“ ein. So versuchte er die Angst vor Wölfen zu nehmen, „bei zwei in Baden-Württemberg und 600 in ganz Deutschland“, ebenso vor einer Schweinepest durch Übertragung von Wildschweinen, deren Massenbejagung keinesfalls leicht sei. Er ging auch darauf ein, dass der Fischertrag im Bodensee durch das immer reiner gewordene Seewasser gelitten habe und daher der Bedarf an Bodenseefelchen, durch Import von Felchen aus Übersee gedeckt werden müsse. Da biete sich doch eine Fischzucht im Bodensee – in einer gesonderten Fläche von zwei Fußballfeldern – an, wobei der Nährstoffeintrag im See durch Fütterung lediglich um ein halbes Prozent zunehme. Angesichts des Widerstands wurde aus der Runde vorgeschlagen, eine solche Aquakultur an Land mit Becken voller Bodenseewasser vorzunehmen. Gall meinte, dass sich dadurch die Kosten je Felchen um einen Euro erhöhen würden. Abschließend konstatierte Gall: „Opposition ist schlecht“.
Die Landtags-SPD müsse frustrierend feststellen, dass sie Probleme habe, ihre Ideen in der Öffentlichkeit zu vermarkten. Nichtsdestoweniger bleibe sie bei ihrer Devise, Realpolitik ganzheitlich zu betrachten. Das gelte auch für die Problematik Dieselschadstoffe, wo man sich noch im Meinungsbildungsprozess hinsichtlich der besten Lösung befinde. Rückblickend auf seine Innenminister-Tätigkeit meinte Gall, dass er bestimmt einiges positiv bewerkstelligt habe. Selbst die mitunter kritisierte Polizeireform könne wohl nicht falsch gewesen, sonst hätte sie sein Nachfolger Thomas Strobl längst zurückgenommen.
(Helmut Sauter)
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